Vorwort
Eines Volkes alter Brauch und Glaube, die Ueberlieferungen aus seiner ältesten Geschichte verdienen gewiß nicht mindere Beachtung als der Boden, welcher ihm zum Heimathlande wurde. Es ist nicht nöthig, hier, - nachdem solches von so Vielen schon geschehen, - auf die Wichtigkeit der Ueberreste des alten Volkslebens hinzuweisen; im Gegentheile ist nur zu bedauern, daß nicht schon längst versuchte wurde, auch im Gesammtvoigtlande aufzuzeichnen, was von dem älteren Volksleben der Gegenwart erhalten blieb.
Zwar wurde in verschiedenen Localgeschichten auch dem Volksleben, den Flurnamen, dem Aberglauben und den Sagen Berücksichtigung geschenkt, doch fand sich bisher keine Feder, welche das vorhandene Material zusammenstellt, viel weniger mit neuen Aufzeichnungen zu vermehren suchte. Eine Anregung dazu gab Berthold Sigismund in seiner Arbeit: "Aus dem Voiglande" (Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung, 1860); doch faßte er dabei nur den zum Königreiche Sachsen gehörigen Teil ins Auge.
Wenn ich mit einer Zusammenstellung alter Ueberlieferungen im Voigtlande hervortrete, so muß ich zunächst an dieser Stelle meinen Dank den Männern sagen, welche meine Bestrebungen uneigennützig förderten. Obenan steht unter ihnen Herr Mädchenlehrer Sammler in Oelsnitz, welcher unverdrossen zu Aufzeichnungen aufgefordert hat und auch selbst im oberen sächsischen Voigtlande bei den Landleuten den alten Ueberlieferungen nachgegangen ist. Sodann haben mich die Herren Lehrer Lucker in Unterwürschnitz, Lange in Planschwitz und Schiller in Eichigt durch größere Beiträge erfreut. Ihnen, so wie ihren Herren Collegen Schönrich in Raschau, Seidel in Wohlbach, Bräcklein in Marienei, Schetelich in Willitzgrün, Eschebach in Klingenthal, Dietz in Bösenbrunn, Bär in Mühlhausen, Bauer in Schönbrunn, Kaiser in Beerheide und den Herren Pastoren Wolf in Klingenthal und Dr. Bauer in Mißlareuth, welche ebenfalls mein Unternehmen durch Bestrebungen freundlichst unterstützten, sei hiermit mein innigster Dank ausgesprochen.
Ich selbst hatte auf meinen vielen Wanderungen durch das Voigtland des Volkes Eigenthümlichkeiten kennen zu lernen und in traulichen Gesprächen mit den Alten herauszulocken, was von Ueberlieferungen noch in ihnen lebte. Nützlich waren mir als Sammler auch mehrere Mitglieder des hiesigen Vereins für Naturkunde, die, dem Bürgerstande angehörig, vielleicht noch mehr als ich im Stande waren, die Zurückhaltung, welche sich beim Nachgehen der abergläubischen Meinungen und Volkslieder nicht selten zeigte, glücklich zu überwinden. Ich kann nicht unterlassen, auch hierbei die Herren Gustav Bauer, Magnus Köhler und Christian Leibholdt namentlich anzuführen.
- In den Besitz sehr vieler Kinderlieder und Spiele gelangte ich durch meine Schüler. - Das benutzte gedruckte Material hier anzuführen, unterlasse ich, da ich nicht versäumt habe, in dem Buche selbst die Quellen überall anzugeben.
Die bei den Gebräuche, den Bauernregeln, Volksliedern und dem Aberglauben eingeklammerten Ortsnamen sollen nicht etwa aussprechen, daß das Betreffende nur an genannten Orten zu finden sei, sondern sie geben blos die Localitäten an, woher ich die Ueberlieferungen erhielt, und es ist wol möglich, daß eine oder die andere derselben viel allgemeiner auftritt. Wo ich dies mit Gewißheit thun konnte, habe ich das Wörtchen "allgemein" beigefügt.
ich darf wol kaum versichern, daß von meiner Seite keine Mühe gescheut wurde, die Arbeit in möglichster Vollständigkeit zu liefern. Wenn ich an vielen Thüren vergeblich anklopfte, ja, wenn ich sogar vor einer zahlreichen Versammlung sprach und um gefällige Unterstützung bat, ohne daß mir von einer Seite eine solche wurde, so muß ich das im Interesse der Sache selbst sehr tief beklagen. Doch tröste ich mich damit, daß man in vielen Häusern deshalb nicht gern die Thüre öffnet, um die Leere der innern Wohnung nicht dem blicke bloßzustellen.
Nun doch einige Worte über die Ausdehnung des alten Voigtlandes, damit der Leser den Boden auf der Karte umfassen kann, welchem die mitgetheilten Ueberlieferungen angehören.
Die Sage geht, Pause liege im Mittelpunkte der Welt (Gräße, Sagen d. K. Sachsen, S. 415). allerdings liegt es ungefähr in einem Mittelpunkte, aber in dem des alten Voigtlands. Wenn man nämlich den Zirkel da, wo auf der Karte Pause liegt, einsetzt und bis an die nördliche Landesgrenze des Fürstenthums Reuß jüngere Linie, also ungefähr bis auf die halbe Strecke zwischen Gera und Zeitz ausspannt, und damit auf der karte einen Kreis beschreibt, so wird man im Allgemeinen die Grenzen des alten Voigtlandes haben. Dasselbe umfaßte nämlich: 1. den sächs. voigtländischen Kreis, 2. sämmtliche reußische Lande, 3. den sonst sächsischen Neustädter Kreis, 4. vom erzgebirgischen Kreise einen Theil des Amtes Schwarzenberg, fast die ganzen Aemter Wiesenburg und Zwickau un die sonstige Herrschaft Meerane, 5. einzelne Orte des Amtes Altenburg, 6. das Amt Ronneburg, 7. Theile der Aemter Leuchtenburg und Orlamünda, 8. einen Theil des Saalfedischen, 9. einen Theil des nördlichen Bayern und 10. die Herrschaft Asch, den egerschen Bezirk und die Herrschaft Graßlitz. (Schumann und Schiffner, Lexikon von Sachsen ec. 12. B. S. 280). Demnach grenzte das alte Voigtland östlich an Böhmen, nordöstlich an die Mark Meißen, nördlich an die Mark Osterland mit Inbegriff des Bisthums Naumburg, nordwestlich an die Landgrafschaft Thüringen, westlich an Thüringen und das Hochstift Bamberg, und südlich an das alte Burggrafthum Nürnberg.
Mein Buch zerfällt in dreizehn Abschnitte, denen ich im Uebrigen nichts als den Wunsch vorauszuschicken habe, es möge die unheilvolle "Dreizehn" für das Werk von keiner üblen Vorbedeutung sein!
Reichenbach i. V., den 22. Nov. 1866.
Dr. Ernst Köhler.